SCIENTIFIC HIGHLIGHTS
Neue Methode zur Synthese von amorphen metallorganischen Gerüsten und Koordinationspolymeren
Einem Forscherteam der Humboldt-Universität zu Berlin unter der Leitung von IRIS Adlershof-Mitglied Prof. Dr. Nicola Pinna ist ein bedeutender Durchbruch auf dem Gebiet der Nanotechnologie gelungen. Das Team hat die bekannte Stöber-Methode, die ursprünglich für amorphe SiO₂-Kolloide verwendet wurde, erfolgreich auf die Synthese von amorphen metallorganischen Gerüsten (MOFs) und Koordinationspolymeren (CPs) erweitert. Der innovative Ansatz basiert auf der langsamen, kontinuierlichen Diffusion von Triethylamin (TEA)-Dampf, wodurch eine präzise Steuerung der Deprotonierung organischer Liganden ermöglicht wird. Dies eröffnet die Möglichkeit zur Herstellung fein gearbeiteter amorpher CP-Kugeln. Der innovative Ansatz eröffnet neue Perspektiven hinsichtlich der Funktionalität und Komplexität kolloidaler Materialien und ebnet damit den Weg für potenzielle Anwendungen in Technik und Medizin. Die Synthese von amorphen MOFs und CPs wird initiiert, indem Triethylamindampf (TEA) in eine Lösung mit Metallionen und organischen Liganden geleitet wird. Dadurch wird der Deprotonierungsprozess eingeleitet, der es den Liganden ermöglicht, sich mit den Metallionen zu verbinden und komplizierte amorphe MOF- oder CP-Strukturen zu bilden. Die Vielseitigkeit dieser Methode wurde durch die erfolgreiche Synthese von 24 verschiedenen amorphen CP-Kugeln bewiesen, die durch die Auswahl von 12 Metallionen und 17 organischen Liganden entstanden. Darüber hinaus konnte durch die Einführung funktioneller Nanopartikel die Synthese einheitlicher Kern-Schale-Kolloide mit konformen amorphen CP-Beschichtungen realisiert werden. Der allmähliche Deprotonierungsprozess der Methode ermöglicht die heterogene Keimbildung von amorphen MOFs auf jedem Substrat, unabhängig von dessen chemischer Zusammensetzung, Struktur oder Morphologie. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglichte die Synthese von über 100 Kern-Schale-Kolloiden, bei denen 20 verschiedene amorphe MOF- oder CP-Schalen mit mehr als 30 verschiedenen Kern-Nanopartikeln kombiniert wurden, die jeweils unterschiedliche Eigenschaften und potenzielle Anwendungen aufweisen. Darüber hinaus können diese amorphen MOF-Kern-Schalen-Kolloide durch die Anwendung von Flüssigphasen- oder Festkörperprozessen leicht in eine Vielzahl von funktionellen Kolloiden umgewandelt werden. Besonders ermutigend ist, dass diese Kern-Schale-Kolloide auf amorpher Basis das Potenzial haben, als Opferschablonen für die Schaffung multifunktionaler Nanostrukturen zu dienen. „Yolk-Shell“-Strukturen, die Kern-Schalen-Strukturen ähneln, jedoch Hohlräume zwischen Kern und Schale aufweisen, erweisen sich als vielversprechend für den Einsatz in katalytischen Reaktionen, Energiespeicherlösungen und fortschrittlichen Wirkstoffabgaben. Dieser Fortschritt stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Nanotechnologie dar, da er den Forschern ein robustes Werkzeug für die systematische Entwicklung fortschrittlicher kolloidaler Materialien mit unterschiedlicher Funktionalität und Komplexität zur Verfügung stellt und so die Möglichkeiten der Materialwissenschaft erweitert. Stöber method to amorphous metal-organic frameworks and coordination polymers Verbesserte Oberflächensensitivität für Raman-Signale durch aufbringbare poröse Goldmembran (PAuM)
In einer kürzlich erfolgten Zusammenarbeit der Emmy Noether-Forschungsgruppe „Physics of low-dimensional systems“ um IRIS Adlershof-Mitglied Dr. Sebastian Heeg an der HU Berlin haben Forscher des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung (IKZ), der Université Le Mans und der ETH Zürich mit der Entwicklung der oberflächensensitiven Raman-Streuung eine neue Methode der Raman-Spektroskopie realisiert. Dieser neue Ansatz behebt eine wesentliche Einschränkung der konventionellen Raman-Spektroskopie, bei der die Signale von Oberflächen oder dünnen Filmen oft schwach sind und durch dominante Signale der Grundsubstanz (Bulk) verdeckt werden. Oberflächen spielen in Wissenschaft und Industrie eine zentrale Rolle, da hier die meisten Wechselwirkungen mit der Umwelt stattfinden, einschließlich chemischer Reaktionen, Adhäsion, Reibung und Interaktionen mit Licht. Die Oberflächeneigenschaften können sich in Bezug auf die chemische Zusammensetzung, die atomare Anordnung und die elektronische Struktur erheblich von den Eigenschaften der Grundsubstanz unterscheiden, was sich auf technologische Fortschritte wie Katalysatoren und Solarzellen auswirkt. Die Raman-Spektroskopie, ein leistungsfähiges, nicht-destruktives Verfahren zur Analyse von Molekülschwingungen, gibt Aufschluss über die chemische Zusammensetzung, Kristallinität, Defekte und Dehnung eines Materials. Sie ist besonders wertvoll für die Charakterisierung von Nanomaterialien, dünnen Filmen und biologischen Proben, bei denen präzise Oberflächeninformationen unerlässlich sind. Die Anwendung der konventionellen Raman-Spektroskopie ist bei Oberflächen und dünnen Filmen durch dominante Bulk-Signale eingeschränkt. Das Aufbringen poröser Goldmembranen (PAuMs) ermöglicht jedoch die Untersuchung oberflächenspezifischer Raman-Signale mit noch nie dagewesener Klarheit. PAuMs enthalten unregelmäßige, schlitzförmige Nanoporen, die als plasmonische Antennen wirken. Wenn PAuM auf einer Oberfläche oder einem dünnen Film von Interesse platziert wird, verstärken die Nanoporen das Raman-Signal der direkt darunter liegenden Oberfläche, während die Membran selbst die Signale des Bulks unterdrückt. Die Kombination dieser Effekte verbessert das Verhältnis von Oberflächen- zu Bulksignalen um drei Größenordnungen und ermöglicht eine tatsächlich oberflächenempfindliche Raman-Streuung. Die Forscher verwendeten Graphen als Modelloberfläche und beobachteten, dass die Nanoporen in den Membranen das Ramansignal von Graphen um das Hundertfache verstärken. Wenn man einen Abstandshalter zwischen Graphen und PAuM anbringt, zeigt sich, dass die Raman-Verstärkung auf die ersten 2-3 nm des Materials unter der Membran beschränkt ist, was eine echte Oberflächenempfindlichkeit zeigt. Eine erste prototypische Anwendung betrifft die Quantifizierung der Dehnung in einer 12,5 nm dünnen Si-Quantentopfschicht unter Verwendung von PAuMs. Die Schicht ist Teil einer Silizium-Germanium-Heterostruktur, die für die Verwendung von Spin-Qubits als vielversprechende und sich schnell entwickelnde Technologie für Quantencomputer entwickelt wurde. In einem zweiten Anwendungsfall werden PAuMs zur Untersuchung der Oberfläche eines dünnen LaNiO3-Films, eines metallischen Perowskits, der als Elektrodenmaterial verwendet wird, eingesetzt. Die elektrische Leitfähigkeit von LaNiO3-Filmen ist stark an ihre kristallografische Struktur gekoppelt und kann durch die Filmdicke reguliert werden. Als PAum auf LaNiO3 aufgebracht wurde, beobachteten die Autoren eine Raman-Modenaufspaltung, die von der Filmoberfläche ausgeht und auf einen Unterschied in der Oberflächenstruktur im Vergleich zum Bulk hinweist. Dieses Ergebnis stimmt mit theoretischen Vorhersagen und Beobachtungen aus rastertunnelmikroskopischen Untersuchungen überein. „Unsere Arbeit verbindet zwei verschiedene Forschungsfelder.“, sagt Dr. Heeg. „Konzeptionell erweitern wir das Gebiet der plasmonenverstärkten Raman-Spektroskopie, die fast ausschließlich zur Untersuchung und Erkennung von molekularen Verbindungen und Nanostrukturen eingesetzt wird, auf den Bereich der Festkörpermaterialien wie Silizium-Quantentöpfe, dünne komplexe Oxidfilme und entsprechende Oberflächen.“ Das Team erforscht nun das Potenzial der Methode mit Partnern in Berlin und internationalen Kollaborateuren. Bulk-suppressed and surface-sensitive Raman scattering by transferable plasmonic membranes with irregular slot-shaped nanopores Kontakt: Durchbruch in der Gravitationswellenphysik:
|
Jan Plefka, Mitglied von IRIS Adlershof |
Visualisierung der gravitativen Bremsstrahlung aus der Streuung zweier schwarzer Löcher inklusive Wellenprofil |
Visualisierung der gravitativen Bremsstrahlung aus der Streuung zweier schwarzer Löcher (BSc-Arbeit O. Babayemi) |
Unter der Leitung von IRIS Adlershof-Gründungsmitglied Jan Plefka hat ein internationales Team die Dynamik zweier aufeinandertreffender Schwarzer Löcher mit der bisher höchsten jemals erreichten Präzision berechnet. Ihre in der renommierten Zeitschrift Physical Review Letters als "Editor's Choice" veröffentlichte Arbeit liefert neue Einblicke in die enormen Gravitationswechselwirkungen zwischen diesen extremen Objekten in unserem Universum.
Die Streuung Schwarzer Löcher ist ein fundamentales Problem der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins mit weitreichenden Folgen für die Astrophysik und Gravitationswellenastronomie. Das Verständnis der Gravitationswechselwirkungen und der abgestrahlten Gravitationsstrahlung bei der Kollision zweier Schwarze Löcher oder Neutronensterne ist entscheidend für die Interpretation von Beobachtungen mit Gravitationswellendetektoren wie LIGO und zukünftigen Detektoren der dritten Generation, die in den 2030er Jahren in Betrieb gehen sollen.
Die neuen Berechnungen der Forscher von der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und dem CERN bringen die theoretische Beschreibung der Schwarzen-Loch-Streuung auf eine noch nie dagewesene Genauigkeit - die fünfte Post-Minkowski‘sche Ordnung und nächstführende Selbstkraftordnung. Diese enorm anspruchsvolle Vier-Schleifen-Berechnung erforderte modernste Integrationstechniken und Hochleistungsrechner.
"Die Lösung dieses Problems markiert eine neue Grenze für Mehrschleifen-Berechnungen und effektive Feldtheorie-Techniken", sagte der Gruppenleiter Jan Plefka. Co-Autor Benjamin Sauer kommentierte: "Wir mussten jeden Aspekt optimieren, von der Erzeugung des Integranden bis hin zur Entwicklung neuer Integrationsmethoden." Insgesamt mussten einige Millionen von 16 dimensionalen Integralen, die den Streuwinkel beschreiben, auf eine Basis von 470 Masterintegralen reduziert werden, die dann berechnet wurden.
Bemerkenswerterweise fanden die Forscher, dass der resultierende Streuwinkel auf diesem neuen Präzisionsniveau eine erstaunliche Einfachheit aufweist, ohne dass neue transzendente Funktionen jenseits von Polylogarithmen des Gewichts drei in Erscheinung treten. Alle theoretischen Checks, sowohl interne als auch durch Übereinstimmung mit nicht-relativistischen Grenzfällen waren erfolgreich.
Mit diesem Durchbruch haben die Forscher die Grundlage dafür gelegt, ihre Berechnungen in fortschrittliche Gravitationswellenmodelle für die nächste Generation von Gravitationswellendetektoren einzubinden. Die höhere Präzision wird extrem genaue Tests der Einstein‘schen Theorie und neue Einblicke in die Kern- und Gravitationsphysik von Doppelsystemen rotierender Schwarzer Löcher ermöglichen.
"Unsere Ergebnisse bringen die Vorhersage von Gravitationswellen, die von Begegnungen Schwarzer Löcher ausgehen, auf eine noch nie dagewesene Genauigkeit", sagte der Co-Autor Gustav Uhre Jakobsen. "Dies eröffnet brillante neue Möglichkeiten, fundamentale Physik aus künftigen Gravitationswellenbeobachtungen zu extrahieren."
Die Forschungsarbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des GRK 2575 „Rethinking Quantum Field Theory“ und dem Europäischen Forschungsrat mittels des Advanced Grants „GraWFTy“ von Jan Plefka finanziert.
Artikel:
Conservative Black Hole Scattering at Fifth Post-Minkowskian and First Self-Force Order
Mathias Driesse, Gustav Uhre Jakobsen, Gustav Mogull, Jan Plefka, Benjamin Sauer, and Johann Usovitsch
Phys. Rev. Lett. 132, 241402 – Published 13 June 2024
DOI: 10.1103/PhysRevLett.132.241402
Contact:
Prof. Dr. Jan Plefka
Sprecher Graduiertenkolleg 2575 „Rethinking Quantum Field Theory“
ERC Advanced Grant „GraWFTy"
Humboldt-Universität zu Berlin
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Institut für Physik, Arbeitsgruppe Quantenfeld- und Stringtheorie
Zum Großen Windkanal 2, D-12489 Berlin
Postal adress: Unter den Linden 6, 10099 Berlin, Germany
Email: jan.plefkahu-berlin.de
Tel: +49 (0)30 2093 66409
Sekr.: +49 (0)30 2093 66413
qft.physik.hu-berlin.de
www2.hu-berlin.de/rtg2575/
X: @JanPlefka
Revolutionäre Entwicklung im Bereich der Batterietechnologie durch innovative Schwefelkathoden
Innovative Forschung hat uns mit einem Durchbruch bei Schwefelkathoden einer nachhaltigen Batterietechnologie einen Schritt näher gebracht. Lithium-Ionen-Batterien, die in der Elektronik und in Elektrofahrzeugen eine zentrale Rolle spielen, sind traditionell auf knappe Materialien wie Kobalt angewiesen. Schwefel bietet eine umweltfreundlichere Alternative, da es reichlich vorhanden ist und eine beeindruckende theoretische Kapazität von 1675 mAh g-1 aufweist.
Ein großes Problem bei der Verwendung von Schwefel ist der "Schwefel-Shuttle-Effekt", bei dem die Mobilität des Schwefels zu einer schnellen Degradation der Batterie führt. Eine kürzlich durchgeführte Studie zeigt jedoch eine neue Lösung auf: die Verkapselung von Schwefel in einem mikroporösen Polymernetzwerk auf Iminbasis direkt auf dem Stromabnehmer. Dieser Eintopfsyntheseansatz rationalisiert nicht nur die Produktion, sondern erhöht auch die Batterieleistung erheblich.
Dieses innovative Kathodendesign ermöglicht einen selektiven Elektrolyt- und Li-Ionen-Transport, während es den Schwefel robust einschließt und eine hohe Leistung über alle Entladungsraten - von 1360 mAh g-1 bei 0,1 C bis 807 mAh g-1 bei 3 C - liefert. Weiterführende Analysen mit DFT-Berechnungen und Operando-Raman-Spektroskopie haben gezeigt, dass die Imin-Gruppen des Polymers die Polysulfid-Bindung verstärken und so die Degradation wirksam verringern.
Dieser Durchbruch ebnet den Weg für schwefelbasierte Kathoden als Alternative zu metallbasierten Kathoden und ist ein wichtiger Schritt hin zu umweltfreundlicheren, leistungsfähigeren Batterietechnologien. Behalten Sie diesen Bereich im Auge - Schwefel könnte die Zukunft der Batterien sein!
One-pot Synthesis of High-capacity Sulfur Cathodes via In-situ Polymerization of a Porous Imine-based Polymer
Guiping Li, Ye Liu, Thorsten Schultz, Moritz Exner, Ruslan Muydinov, Hui Wang, Kerstin Scheurell, Jieyang Huang, Norbert Koch, Paulina Szymoniak, Nicola Pinna, Philipp Adelhlem, Michael Janus Bojdys
Angew. Chem. Int. Ed., e202400382 (2024) OPENACCESS
DOI: 10.1002/anie.202400382
Elektrisch kontrollierte Dehnung eines gespannten 2D-Halbleiters führt zur Hybridisierung verschiedener Energiezustände und ermöglicht die Emission einzelner Photonen
Halbleitende, zweidimensionale Übergangsmetall-Dichalcogenide (TMDs) haben in den letzten 15 Jahren großes Interesse auf sich gezogen. Ihre hochgradig kontrollierbaren mechanischen und optoelektronischen Eigenschaften und ihre Kombinierbarkeit mit anderen 2D-Materialien zu neuen Strukturen machen TMDs zu vielversprechenden Systemen für viele Technologien wie Elektronik, Energieerzeugung und -speicherung. Ihre reichhaltige Physik umfasst exotische Phänomene wie beispielweise die Bose-Einstein-Kondensation oder die Einzelphotonenemission, von denen einige noch nicht vollständig erklärt sind. Die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie in 2D-Halbleitern wird durch Exzitonen bestimmt, Coulomb-gebundene Elektron-Loch-Paare, die je nach Stärke ihrer Kopplung mit dem Licht als hell oder dunkel eingestuft werden können. Obwohl sie den Grundzustand des Systems darstellen, werden dunkle Exzitonen in WSe2 erst jetzt systematisch untersucht. Die Gruppe Physik niedrigdimensionaler Systeme von IRIS Adlershof-Mitglied Dr. Sebastian Heeg an der HU Berlin hat in Zusammenarbeit mit der AG Bolotin an der FU Berlin und der AG Libisch an der TU Wien die Dehnungsabhängigkeit von dunklen Exzitonen in einschichtigem WSe2 untersucht. Dieses System ist besonders relevant, da viele Studien über Einzelphotonenemitter in gespanntem WSe2 berichtet haben, aber den mikroskopischen Mechanismus hinter der Quantenlichtemission nicht erklären konnten.
Dr. Heeg erklärt, wie dieses Projekt ursprünglich konzipiert wurde: "Unsere Kollegen in der Gruppe von Florian Libisch von der TU Wien haben 2019 eine spannende Arbeit veröffentlicht, in der sie vorhersagten, dass Dehnung in einschichtigen WSe2-Membranen dunkle Exzitonen in Resonanz mit natürlich vorkommenden Defektenergieniveaus bringen könnte. Sobald die beiden exzitonischen Spezies auf dieselbe Energie abgestimmt sind, würden sie ihre Eigenschaften kombinieren und einen hybridisierten Zustand erzeugen, der die Emission von Einzelphotonen ermöglicht. Als wir von diesem theoretischen Modell lasen, beschlossen wir sofort, es experimentell zu untersuchen. Dazu entwickelten wir eine elektrostatische Verformungstechnik, die es uns ermöglichte, WSe2-Membranen bei niedrigen und hohen Temperaturen kontrolliert zu verformen und gleichzeitig ihre elektronische Struktur mit Photolumineszenzspektroskopie zu untersuchen."
Durch die kontrollierte Dehnungen der Membrane konnten die Autoren die verschiedenen exzitonischen Spezies im Material anhand ihrer energetischen Abhängigkeit von der Dehnung charakterisieren. Bei bestimmten Dehnungsniveaus wurden dehnungsunabhängige Defektzustände und dehnungsabhängige dunkle Exzitonen energetisch degeneriert und ihre Photolumineszenzintensität nahm um eine Größenordnung zu. Weitere Beweise für die Hybridisierung des Zustands, wie z. B. vermiedene Energieverschiebungen und die Abstimmbarkeit der zur Auslösung der Hybridisierung erforderlichen Dehnung bei der Temperatur, wurden ebenfalls gezeigt. "Die hohe Abstimmbarkeit des hybridisierten Zustands, die durch unsere Bauelementarchitektur ermöglicht wird, ist wahrscheinlich der Schlüssel für den Betrieb von Einzelquantenemittern in WSe2", betont Pablo Hernández López, Doktorand in der Gruppe von Dr. Heeg und Mitautor der Arbeit. "Andererseits öffnet die Charakterisierung und Abstimmung der Energiehierarchie der Exzitonen, die in suspendierten Materialien vorhanden sind, mit unserem Ansatz der elektrostatischen Dehnung die Tür für weitere spannende Entdeckungen in der Zukunft".
Strain control of hybridization between dark and localized excitons in a 2D semiconductor
P. Hernández López, S. Heeg, C. Schattauer, S. Kovalchuk, A. Kumar, D.J. Bock, J.N. Kirchhof, B. Hoefer, K. Greben, D. Yagodkin, L. Linhart, F. Libisch, K.I. Bolotin
Nature Communications, 13, 7691 (2022) OPENACCESS
DOI: 10.1038/s41467-022-35352-9
Neue Produktionsmethode für flexible, langlebige Anoden mit hoher Kapazität im Verhältnis zum Gewicht
Ein Team von Forschern der Humboldt-Universität zu Berlin, des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden (IPF) e. V. und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat eine Anode mit überlegener Leistung für tragbare Batterieanwendungen hergestellt, die nahe an die Grenzen der theoretischen Kapazität heranreicht. Einzigartig ist, dass die erhaltenen Anoden flexibel sind, ohne Oberflächenumbau oder Rissbildung, und sie überstehen Hitzeschocks ohne Leistungseinbußen.
Herkömmliche Batterien gehen bei mechanischer und thermischer Belastung kaputt. Sie müssen zwangsläufig in steifen, starren Abschnitten von nominell "faltbarer" Elektronik und fern von Wärmequellen untergebracht werden. Die grundlegende Einschränkung der konventionellen Produktionsmethoden besteht darin, dass die freie Bewegung von Bindemitteln und Additiven, die für die Batteriemontage verwendet werden, mit der Zeit zu einem Verlust des gewünschten elektrochemischen Ungleichgewichts und schließlich zu einer toten Batterie führt. Um diese Einschränkung zu überwinden, hatte das Team von Prof. Michael J. Bojdys, dem Teamleiter an der Humboldt-Universität zu Berlin, die Idee, herkömmliche Bindemittel und Additive durch ein halbleitendes poröses organisches Polymer zu ersetzen, das (i) am Stromkollektor haftet und um das aktive Material herum wächst und (ii) den Transport von Elektrolyt und Ladungsträgern ermöglicht.
IRIS-Mitglied Prof. Bojdys sagt: "Batterien funktionieren, weil wir sorgfältig eine chemische Ordnung aus kleinen Teilchen aufbauen. Das sieht man an den Plus- und Minuspolen der Batterie. Was passiert nun, wenn man ein solches geordnetes System schüttelt oder erhitzt? Nun, man zerstört die chemische Ordnung, und die Batterie ist tot! Die Art und Weise, wie wir herkömmliche Batterien bauen, ist vergleichbar damit, dass man alle seine Einkäufe lose in den Kofferraum seines Autos packt - wenn man nach Hause kommt, ist alles durcheinander. Wenn Sie Ihre Einkäufe geordnet aufbewahren wollen, packen Sie sie natürlich in Tüten! Das ist die Rolle, die unser halbleitendes poröses Polymer in unseren Elektroden spielt. Das Polymer ersetzt alle klassischen Batterieadditive und führt zu einer fantastischen Leistung".
Basierend auf dieser Technologie wollen Dr. Goshtasp Cheraghian und Prof. Dr. Michael J. Bojdys ihre Elektroden und Tintenformulierungen im Rahmen des INAM AdMaLab 2022 Inkubator-Programms kommerzialisieren.
Der Artikel erschien online als:
One‐pot synthesis of high‐capacity silicon anodes via on‐copper growth of a semiconducting, porous polymer
J. Huang, A. Martin, A. Urbanski, R. Kulkarni, P. Amsalem, M. Exner, G. Li, J. Müller, D. Burmeister, N. Koch, T. Brezesinski, N. Pinna, P. Uhlmann, and M.J. Bojdys
Natural Sciences, published online (2022) OPENACCESS
DOI: 10.1002/ntls.20210105
FAIRe Forschungsdaten für die Materialwissenschaften
Das FAIRmat-Konsortium unter Leitung der Humboldt-Universität beschreibt sein Konzept für zugängliche Forschungsdaten im renommierten Fachjournal Nature
Die Wirkweise des FAIRmat-Konsortiums (Copyright: FAIRmat)
Der Lebensstil unserer Gesellschaft wird in hohem Maße von den Errungenschaften der Physik der kondensierten Materie, der Chemie und den Materialwissenschaften bestimmt. Touchscreens, Batterien, Elektronik oder Implantate: Viele neue Produkte in den Bereichen Energie, Umwelt, Gesundheit, Mobilität und Informationstechnik beruhen weitgehend auf verbesserten oder sogar neuartigen Materialien. Die enormen Mengen an Daten, die täglich in diesen Forschungsfeldern produziert werden, stellen einen neuen Rohstoff dar – und sind damit Gold wert. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese Daten umfassend charakterisiert werden und der Wissenschaft zur Verfügung stehen.
FAIRe Daten für eine gemeinsame Nutzung
Das Konsortium FAIRmat ("FAIR Data Infrastructure for Condensed-Matter Physics and the Chemical Physics of Solids") unter der Leitung von IRIS Adlershof-Mitglied Prof. Claudia Draxl hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Rohstoff zu veredeln, also Daten in Wissen und Wert zu verwandeln. Ein Grundbaustein dafür ist eine Dateninfrastruktur, die es ermöglicht, Daten „FAIR“ zu machen, also auffindbar (Findable), zugänglich (Accessible), interoperabel (Interoperable) und wiederverwendbar (Re-purposable). „Mit einer „FAIRen“ Infrastruktur können Daten problemlos gemeinsam genutzt und mit Methoden der Datenanalyse und mit Künstlicher Intelligenz erforscht werden. Dieser Zugang wird die Art und Weise, wie Wissenschaft heute betrieben wird, deutlich verändern“, so Claudia Draxl.
Im Fachjournal Nature beschreiben die Wissenschaftler:innen nun, wie die erfolgreiche Umsetzung einer solchen Dateninfrastruktur für den Bereich der Materialwissenschaften aussehen kann.
Der Beitrag erscheint heute im Format „Perspectives“, in dem das Magazin zukunftsweisende Beiträge veröffentlicht, die zu Diskussionen und neuen wissenschaftlichen Ansätzen anregen.
Das Konsortium FAIRmat ist Teil der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Das Projekt basiert auf den umfassenden Erfahrungen mit der weltweit größten Dateninfrastruktur der computergeschützten Materialwissenschaften, dem Novel Materials Discovery (NOMAD) Laboratory, welche von Claudia Draxl mitaufgebaut wurde und seit 2014 online ist. Die größten Herausforderungen für FAIRmat liegen in der Integration der Vielzahl von experimentellen Charakterisierungstechniken und Methoden der Materialsynthese.
FAIR data enabling new horizons for materials research
M. Scheffler, M. Aeschlimann, M. Albrecht, T. Bereau, H.-J. Bungartz, C. Felser, M. Greiner, A. Groß, C.T. Koch, K. Kremer, W.E. Nagel, M. Scheidgen, C. Wöll, and C. Draxl
Nature 604 (2022) 635
DOI: 10.1038/s41586-022-04501-x
Kontakt:
Prof. Dr. Claudia Draxl
Institut für Physik / IRIS Adlershof
Humboldt-Universität zu Berlin
Tel.: 030 2093-66363
E-Mail: claudia.draxlphysik.hu-berlin.de
www.fairmat-nfdi.eu
Fig 1: Visualisierung der gravitativen Bremsstrahlung aus der Streuung zweier schwarzer Löcher (BSc-Arbeit O. Babayemi)
Wenn zwei massive Objekte (Schwarze Löcher, Neutronensterne oder Sterne) aneinander vorbeifliegen, lenken die gravitativen Wechselwirkungen nicht nur ihre Bahnen ab, sondern sie erzeugen auch Gravitationsstrahlung oder gravitative Bremsstrahlung, in Analogie zum Elektromagnetismus. Die resultierende Gravitationswellen eines solchen Streuereignisses wurden in führender Ordnung in der Newton’schen Gravitationskonstante bereits in den 1970er Jahren mit traditionellen Methoden der Allgemeinen Relativitätstheorie in einer umfangreichen Serie von vier Arbeiten berechnet. Bremsstrahlungsereignisse sind für die aktuelle Generation von Gravitationswellendetektoren noch unerreichbar, da das Signal nicht periodisch und typischerweise weniger intensiv ist. Dennoch sind sie interessante Ziele für zukünftige Suchen mit zukünftigen erd- und weltraumbasierten Observatorien.
In der AG Quantenfeldtheorie um IRIS Adlerhof-Mitglied Prof. Plefka wurde nun ein neuer Ansatz zur Bestimmung dieser Wellenformen (Fig 1) und den Ablenkungen mit Methoden der perturbativen Quantenfeldtheorie entwickelt, der sich als deutlich effizienter als die traditionellen Zugänge erweist. Er basiert auf einer hybriden Quantenfeldtheorie, in der die schwarzen Löcher (oder Sterne) als Punktteilchen idealisiert werden und mit der Gravitationsfeld wechselwirken. Die Berechnung fußt dann auf einer systematischen diagrammatischen Entwicklung mittels Feynmangraphen. D.h. die Methoden die ursprünglich für die Streuung von Elementarteilchen entwickelt wurden können nun auch in astrophysikalischen Szenarien zum Einsatz kommen.
Mit dieser innovativen Methode - der „Worldline Quantum Field Theory“ - konnte kürzlich in einer Serie von drei Publikationen in Physical Review Letters unser Verständnis dieses grundlegenden physikalischen Prozesses deutlich erweitert werden. In [1] wurden die Ergebnisse aus den 1970er Jahre in weitaus effizienterer Weise reproduziert, hierzu war lediglich die Berechnung von drei Feynmangraphen (Fig 2) vonnöten. In [2] konnte die Wellenform für den Fall rotierender schwarzer Löcher und Neutronensterne erweitert werden. In einer kürzlichen Publikation [3] wurden die Streuwinkel und Änderungen in den Impulsen und Rotationen durch den Streuprozess in nächst-nächst-führender Ordnung der Gravitationskonstante erstmalig bestimmt. Hierbei kamen elaborierte Techniken zur Berechnung von Feynmanintegralen zum Einsatz. Die Rotationsfreiheitsgrade der schwarzen Löcher können in dieser neuen Formulierung interessanterweise mir einer supersymmetrischen Weltlinientheorie beschrieben werden [4], die sonst in Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik zum Zuge kommt.
Diese Forschungen finden im Kontext des DFG Graduiertenkollegs 2575 „Rethinking Quantum Field Theory“ statt, das in Zusammenarbeit mit dem MPI für Gravitationsphysik und DESY an Innovationen in der Quantenfeldtheorie forscht.
Fig 2: Feynmangraphen zur Bestimmung der Wellenform. Die gepunkteten Linien repräsentieren die schwarzen Löcher, die Wellen die Gravitationsstrahlung und die Linien Fluktuationen der Bahn der schwarzen Löcher.Publikationen:
[1] | Classical Gravitational Bremsstrahlung from a Worldline Quantum Field Theory G. U. Jakobsen, G. Mogull, J. Plefka, and J. Steinhoff Phys. Rev. Lett. 126 (2021) 201103 arxiv: 2101.12688 OPENACCESS |
[3] | Conservative and radiative dynamics of spinning bodies at third post-Minkowskian order using worldline quantum field theory G. U. Jakobsen and G. Mogull erscheint in PRL arxiv: 2201.07778 OPENACCESS |
|
[2] | Gravitational Bremsstrahlung and Hidden Supersymmetry of Spinning Bodies G. U. Jakobsen, G. Mogull, J. Plefka, and J. Steinhoff Phys. Rev. Lett. 128 (2022) 011101 arxiv: 2106.10256 OPENACCESS |
[4] | SUSY in the sky with gravitons G. U. Jakobsen, G. Mogull, J. Plefka, and J. Steinhoff JHEP 2201 (2022) 027 arxiv: 2109.04465 OPENACCESS |
Weitere Informationen:
Videos des Streuprozesses auf Youtube (aus der BSc Arbeit von O. Babayemi)
Prof. Dr. Jan Plefka
Sprecher Graduiertenkolleg 2575 „Rethinking Quantum Field Theory“
Institut für Physik & IRIS Adlershof, Arbeitsgruppe Quantenfeld- und Stringtheorie
Email: jan.plefkahu-berlin.de
Tel: +49 (0)30 2093 66409
Sekr.: +49 (0)30 2093 66413
Raum 2.27 (Sekr. 2.28)
http://qft.physik.hu-berlin.de
https://www2.hu-berlin.de/rtg2575/
WEITERE SCIENTIFIC HIGHLIGTHS